100 Jahre Hamburger Stadtpark

100 Jahre Hamburger Stadtpark

 

 

Der Hamburger Stadtpark feiert in diesem Jahr ein rundes Jubiläum, nämlich 100 Jahre: Nach vier Jahren Bauzeit wurden im Sommer 1914 nicht zuletzt auf Drängen der Bevölkerung erste Teile des Parks in Winterhude der Öffentlichkeit übergeben, obwohl noch bis Ende der 1920er-Jahre diverse größere und kleinere Baustellen im Gelände vorhanden waren.

Der umgesetzte Entwurf auf einer für eine Stadt riesigen Fläche wird dominiert von einer langen Hauptachse und einer Querachse, deren Kreuzungspunkt im Parksee liegt, sowie durch die zwölf Hektar große fast baumfreie Festwiese, die auch heute noch durch keine spezielle Nutzung belegt ist (Inge Maass hat 1981 in diesem Zusammenhang von einem im positiven Sinne "unerhört kostbaren Luxus" gesprochen). Die beiden Achsen wurden einst von sie bestimmenden und gut durchdachten Hochbauten geprägt. Leider sind zwei davon nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg abgerissen worden. Seit Jahren wird darum gerungen, dem Park wieder sein räumlich-architektonisches Gerüst wiederzugeben. Gerade in den letzten Jahren wird jedoch auch den zahlreichen Sondergärten (z. B. Rosen- und Steingarten) Aufmerksamkeit der Gartendenkmalpflege zuteil.

 

In mehreren Beiträgen des Buches wird deutlich, wie lange und heftig um die Ausführung des Parks gerungen wurde: Vor allem um die Frage, im welchem Stil ein Volkspark mit den zahlreichen großstädtischen Nutzungsanforderungen im Sinne der Gartenkunstreformer errichtet werden sollte. So spiegelt sich die in Deutschland heftig geführte Diskussion über "landschaftlich versus formal" im Winterhuder Stadtpark deutlich wider. Der Stadtpark ist ein bedeutendes Beispiel für einen "Volkspark", den der Berliner Gartenarchitekt Ludwig Lesser 1927 folgendermaßen definierte: "Als Volkspark kann nur diejenige öffentliche Parkanlage bezeichnet werden, die im Gegensatz zu den meisten bisherigen öffentlichen Parks, nicht nur den gelegentlichen Spaziergängen dient, sondern den größeren Volksmassen und allen Kreisen der Bevölkerung zu jeder Jahreszeit genügend Raum und Gelegenheit bietet zum Aufenthalt im Freien, zum Sichausleben in Spiel und Sport ebenso wie zum beschaulichen Ausruhen."

Der in seiner Größe und Funktion, vor allem aber in seiner Programmatik und Gestaltung einzigartige Park zählt heute wie damals zu den herausragenden Errungenschaften der Hansestadt Hamburg. Die Raumbildung der Anlage ist trotz der Kriegsverluste immer noch vorbildlich, wenn auch nur noch bruchstückhaft nachzuvollziehen. Trotzdem ist der Stadtpark bei den Menschen in Hamburger äußerst beliebt. Es gibt wohl kein weiteres Denkmal in dieser Stadt, das jeden Tag aufs Neue so intensiv genutzt wird wie der Stadtpark. Wie der Titel des Buches verrät, geht es genau darum: Betreten erwünscht.

 

Der einleitende Text von Heino Grunert behandelt die geraffte Planungsgeschichte des Stadtparks bis in heutige Zeit; auch die Frage nach dem Einfluss der damals handelnden Personen - vor allem Friedrich Sperber, Alfred Lichtwark, Fritz Schumacher, Otto Linne und Leberecht Migge sind zu nennen - wird beantwortet.

Ivo Krings geht - theorien- und kopflastig - auf die Architektur der Anlage ein, wobei sein Text mit großer Wahrscheinlichkeit nur von Fachleuten nachvollzogen kann. Denn Sätze wie "Dagegen scheinen die nichtbildhaften, also die wissenschaftlich-technischen und kulturpolitischen Konflikte der Planungsphase, die sich ebenfalls aus Kultur- und Stadtkritik ableiteten, zwar politisch of extrem konträr, doch als 'normative' Werte zumindest verhandelbar" (S. 54) sind für Menschen, die nicht täglich mit Stadtplanung, Städtebau und Architektur zu tun haben, schwer verständlich.

Im nächsten Abschnitt des Buches werden von Ivo Krings alle Hochbauten mit Zeittabelle und Liste aller ausführenden Personen (Architekten) vorgestellt. Thomas Vesting stellt anschließend die Geschichte des 1912 gegründeten "Stadtpark Vereins" vor, der - im Jahre 2001 neu gegründet - das gemeinsame Engagement der Hamburger Bürgerinnen und Bürger und Institutionen für ihren Stadtpark fördert(e). Die Präsentation zahlreicher historischer Postkarten und Schrägluftbilder durch Thomas Vesting bringt interessante Gegenüberstellungen: So kann man zum Beispiel anhand zweier Schrägluftbilder (Seiten 112 und 113) die (nach-)kriegsbedingten Veränderungen am Parksee und der Festwiese innerhalb einer Zeitspanne von 20 Jahren deutlich nachvollziehen.

Ursula Kellner widmet sich den Kunst-, Kultur- und Sportveranstaltungen, die von Beginn an Teile der Nutzungsgeschichte des Parkes ausmachen. Dem ersten Hamburger Gartendirektor Otto Linne und seinem Wirken gehört der nächste Beitrag, verfasst von seiner Biographin Elke von Kuick. Laut Linnes Ausführungen sparte "Gartenfürsorge die Krankenfürsorge"; jede Parkanlage sollte Spiel- und Sportflächen für Kinder und Ruhebereiche für ältere Menschen aufweisen.

Barbara Engelschall geht auf die ökologischen und naturschutzfachlichen Aspekte im Stadtpark ein, die in manchen Fällen gartendenkmalpflegerischen Zielen entgegen stehen; meistens jedoch im Einvernehmen geklärt werden können.

Abgeschlossen werden die Beiträge mit einem Text von Frank Pieter Hesse über das "Gartendenkmal Hamburger Stadtpark". Dabei erstaunt die Tatsache, dass der Stadtpark erst am 1. Mai 2013 (sic!) unter Denkmalschutz gestellt wurde. Hesse stellt spannende und immer wieder aktuelle Fragen nach der Abwägung zwischen Denkmalschutz, Gartendenkmalen und (teils) notwendigen Veränderungen durch sich wandelnde Nutzungen. Er erklärt, wie es - nach sehr langer Diskussions- und Streitphase - zur Unterschutzstellung kam - ohne mit Kritik an einzelnen handelnden Personengruppen zu sparen.

Der Anhang des vorliegenden Werkes besteht aus einer Zeittafel, dem Literatur- und Autorenverzeichnis, dem Abbildungsnachweis und dem Register.

 

Das Buch ist dem Anlass entsprechend sowohl inhaltlich als auch ästhetisch sehr ansprechend geworden. Hervorzuheben ist der exzellente Druck, die zahlreichen Quellenangaben, die - teils bisher unveröffentlichten - Schrägluftbilder sowie die historischen Ansichtskarten, die neue Einblicke und Rückblicke geben und die gerade für die Gartendenkmalpflege hilfreich sind. Am Schluss bleibt nur der Wunsch, dass auch andere "grüne" Geburtstagskinder so eine aufwändige Publikation als Geschenk erhalten.

 

 

Christian Hlavac

 

 

Grunert, Heino (Hrsg.): Betreten erwünscht. Hundert Jahre Hamburger Stadtpark. Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs, Band 32. Dölling und Galitz Verlag. München/Hamburg 2014. 248 Seiten, 400 historische und Farbabbildungen, Hardcover, ISBN 978-3-86218-064-6. EUR 39,90 [D]



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