Biographie über Karl Foerster
Biographie über Karl Foerster
„Blumengärten für intelligente Faule“. Dieser Buchtitel stammt nicht von einem oberösterreichischen Journalisten, sondern von einem deutschen Gärtner, der bis weit in die Nachkriegszeit die Gärtnerbranche und den Fachbüchersektor geprägt hat. Carl (später auf eigenem Wunsch Karl) Foerster (1874–1970), dessen Vater den Nachnamen aus Marketinggründen von Förster auf Foerster geändert hatte, ist ein Mensch, der noch heute weit über Fachkreise hinaus bekannt ist.
Der „Schöpfer“ von zahlreichen Staudensorten und (Fach-)Schriftsteller wuchs in einem antinationalistischen, gesellschaftspolitisch liberalen Umfeld auf. Sein Vater, Astronom an der Berliner Sternwarte der Akademie der Wissenschaften, wohnte mit seiner Familie direkt neben seinem Arbeitsplatz. Da die Sternwarte von einem großen Park umgeben war, dürfte sein Sohn Karl dort vom „Gartenfieber“ befallen worden sein. Eine hartnäckige Nervenkrankheit und Magenbeschwerden bedingten in jungen Jahren zahlreiche Kuren und führten dazu, dass er etwas verspätet einen Beruf erlernen konnte: den des Gärtners. Die Lehre absolvierte Karl in Schwerin im großherzoglichen Küchengarten. Es folgte der Besuch der Gärtnerlehranstalt Wildpark in Potsdam, die er aufgrund zurückkehrender Leiden frühzeitig verließ. Foerster trat danach eine Stelle als Gärtnergehilfe im Schlosspark Altenstein in Thüringen an. Seine Krankheiten führten jedoch zu einer fünfjährigen Arbeitspause. Die Begeisterung für Stauden dürfte vor allem während seiner anschließenden halbjährigen Gehilfenzeit in der Versandgärtnerei Nonne & Hoepker in Ahrensburg bei Hamburg geweckt worden sein. Im Jahr 1903 begann Karl Foerster, eine eigene (zunächst sehr kleine) Gärtnerei mit Schwerpunkt Stauden in Westend bei Berlin aufzubauen. Im Jahr 1910 übersiedelte er mit seiner Staudengärtnerei nach Potsdam-Bornim, wo er Mitte der 1910er-Jahre mit eigenen Züchtungsarbeiten begann. 1917 wurde er mit dem Buch „Vom Blütengarten der Zukunft“ weithin bekannt.
Die Grundlagen für seinen Ruhm legte Karl Foerster während der Kaiserzeit und der Weimarer Republik mit Gründung von drei Firmen. Ab 1935 wurden seine Betriebe deutlich ausgebaut und erreichten während des Zweiten Weltkriegs ihre Blütezeit. 1936 nahm er erste staatliche Aufträge des NS-Regimes an, beginnend mit Lieferungen für die Fliegerwaffenschule Parow bei Stralsund. Nachdem Foerster 1937 einen Mitgliedsantrag an die NSDAP aus taktischen Gründen zurückzogen hatte – der liberale Bruder Friedrich Wilhelm stand im übertragenen Sinn im Weg –, wurde Karl erst nach der 1939 erfolgten Aufhebung der Aufnahmesperre Parteimitglied. Nach dem Krieg konnte er rasch seinen Staudenbetrieb im nunmehrigen Ostdeutschland fortführen, denn dieser wurde nicht von der sowjetischen Verwaltung beschlagnahmt, sondern Anfang 1946 der Akademie der Wissenschaften in Moskau unterstellt. 1959 ebnete man mit einem Vertrag den Weg zu einem Volkseigenen Betrieb (VEB). Anfangs hieß dieser „Karl Foerster Stauden-Großkulturen, Züchtungs- und Forschungsbetrieb KG mit staatlicher Beteiligung“, ab 1972 „VEB Bornimer Staudenkulturen“. Seine zahlreichen Besuche in Westdeutschland verfolgte die Stasi genau, obwohl er sich den politischen Verhältnissen anpasste und auch auf Ehrungen in der DDR aktiv hinarbeitete. Seine belastete Vergangenheit wurde nicht thematisiert.
Förster dürfte sich – so legen zahlreiche zitierte Briefe und die Gegenüberstellung der Finanzen nahe – in seiner zweiten Lebenshälfte eher als Schriftsteller denn als Gärtnereibesitzer gesehen haben. Beim Lesen des Buches wird nämlich deutlich, dass Foerster immer verschuldet war und dass mit der Zeit das Schreiben mehr einbrachte als seine Firmen.
Der versierte Gartenhistoriker Clemens Alexander Wimmer hat für dieses Buch alle relevanten Nachlässe durchgearbeitet und somit viele neue Erkenntnisse vorgelegt; die von Karl Foersters Ehefrau Eva vernichteten Dokumente hingegen sind für immer verloren. Der Autor entschied sich, die Lebensgeschichte Foersters – beginnend mit dem Geburtsjahr 1874 – strikt nach Lebensjahren zu erzählen. Es gibt nur vier Überkapitel, die von Foersters „vier Leben“ handeln. Der Autor versucht dadurch, dem Leben Foersters einen ordnenden Rahmen zu geben. Da sich Wimmer jedoch – mit ganz wenigen Ausnahmen – einer Bewertung der Person Karl Foersters und dessen Handlungen enthält, wirken die Überkapitel ein wenig konstruiert. Auffällig ist, dass der Autor auf einen Analyse- und Syntheseteil verzichtet. Er überlässt es den Leserinnen und Lesern, sich ein Bild von Foerster zu machen; sowohl was dessen Bedeutung als Gärtner als auch dessen „Überleben“ in verschiedenen politischen Systemen betrifft.
Beim Lesen fällt es schwer, den Überblick über die vielen genannten Personen zu behalten. Wer war Frau x und wer war Herr y nochmal? Die stakkatoartige Auflistung von Ereignissen, Namen und Zitaten erschwert das Lesen und führt dazu, dann man dem Text äußerst konzentriert folgen muss. Dies erschwert das von Clemens Alexander Wimmer angesprochene Ziel des Buches, Foersters Erfolgsmethodik und dessen familiäres und berufliches Beziehungsgeflecht nachvollziehen zu können. Hinzu kommt, dass an manchen Stellen auf den ersten Blick nicht klar ist, von wem und aus welcher Zeit ein Zitat stammt. Hier müssen die Leserinnen und Leser im Anmerkungsapparat nachschlagen (siehe z. B. den Absatz über die Ehrenpromotion Foersters im Jahr 1950, S. 346).
Unabhängig davon entspricht der Schreibstil Foersters nicht heutigen Lesegewohnheiten; er muss als schwülstig angesehen werden. Sogar seine Frau Eva – welche noch zu Lebzeiten in einem Interview sagte, die Stauden seien ihrem Ehemann wichtiger als sie selbst gewesen – mahnte ihn, seine „großen schwungvollen Wolkenbilder“ sachlicher zu schreiben. Ein Beispiel für den Stil Foersters zeigt ein Blick auf eine Publikation über den Steingarten: „Es handelt sich um keine Mode, sondern um eine Angelegenheit von ewiger Zukunft, denn es liegen hier neugeschaffene Bahnen für das Walten eines Urdranges der Menschenseele.“ (Aus: Der Steingarten der sieben Jahreszeiten, 1928, zitiert auf S. 167).
Der Autor verweist mehrmals auf Spuren Foersters in Österreich. Im Dezember 1912 war Karl in Wien und erlebte die Eröffnung der ersten „österreichischen Gartenbauwoche“ in Wien mit (S. 95). Drei Jahre später war er wieder in Wien, angeblich geschäftlich. Dass er im Oktober eine Kur in Baden bei Wien absolvierte, auf die der Autor nicht verweist, sei an dieser Stelle ergänzt. 1931 erhielt Foerster von Elisabeth von Windisch-Graetz, der Tochter von Kronprinz Rudolf, einen Auftrag und reiste mit seiner Frau Eva nach Wien. Es ging mit hoher Wahrscheinlichkeit um die Gestaltung des Villengartens in der Lainzer Straße (S. 190). 1941 fuhr Foerster abermals nach Österreich, wo er und seine Mitarbeiterin bzw. Geschäftspartnerin Herta Hammerbacher einen Auftrag für den Garten des Schlosses Rannariedl (Mühlviertel) annahm (S. 281). Sein letzter Auftrag in Österreich verdankte er dem Wiener Gauleiter und Reichsstatthalter Baldur von Schirach, dessen Villengarten auf der Hohen Warte (Wien-Döbling) ab Oktober 1941 Foersters Zweigniederlassung in München plante. Wimmer zitiert dazu aus dem Briefwechsel Foersters mit Schirach (S. 283) und gibt erstmals Quellen an, durch welche sich die bisher nur vermutete Beauftragung und Ausführung durch eine der Firmen Foersters nun nachweisen lässt (Anmerkung: Oliver Rathkolb spricht in seiner 2020 erschienenen Biographie über Schirach noch von einer „mutmaßlichen“ Planung Foersters).
Nach dem Lesen des Buches, das nur durch äußerst klein abgedruckte Fotos und Faksimile in schwarz-weiß bereichert wird, zeigt sich deutlich: Karl Foerster sah nicht nur das Veredeln und Verbreiten von Stauden als seine Lebensaufgabe, sondern er wollte auch durch seine Schriften die Menschheit bessern und politischen Einfluss nehmen.
Aus den bereits oben genannten Gründen ist es für die Leserinnen bzw. die Leser mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht einfach, die im Klappentext angesprochenen Fragen – wie kann es einer einzelnen Person gelingen, sich in unterschiedlichen politischen Systemen erfolgreich zu behaupten, wie sah sein familiäres und berufliches Beziehungsgeflecht aus? – zu beantworten. Doch geben die zahlreichen, teils erstmals ausgewerteten Quellen eine sehr solide Basis für die individuell zu erarbeitende Beantwortung, welche jedoch ausreichend Zeit, genaues Lesen und Nachschlagen im Anmerkungsapparat bedingt. Es ist ein wichtiges Arbeitsbuch im wahrsten Sinne des Wortes.
Christian Hlavac
Clemens Alexander Wimmer:
Gärtner der Nation. Die vier Leben des Karl Foerster
Hardcover mit Fadenbindung und Schutzumschlag, 512 Seiten, 200 sw-Abbildungen, 15,7 x 22,5 cm, VDG Verlag, Ilmtal-Weinstraße 2024, ISBN 978-3-89739-976-1, EUR 34,- [D]
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