Das barocke Wien

Das barocke Wien

 

In der 1719 erschienenen Kupferstichserie von Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Johann Adam Delsenbach wurde erstmals das barocke (Stadt-)Bild der Haupt- und Residenzstadt Wien einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt. Auf insgesamt 30 Tafeln finden sich Darstellungen der wichtigsten Plätze Wiens sowie herausragender barocker Stadt- und Gartenpaläste. Im Hintergrund förderte und trieb der Vater von Josef Emanuel Fischer von Erlach, der prominente Architekt des barocken Wiens Johann Bernhard Fischer von Erlach das Werk voran.

Nachdem Salomons Kleiners Ansichten (ab 1724) bereits 1971 als nahezu formatgleiche "Faksimiles" erschienen waren, liegt nun auch sein "Vorgänger" in einem handlichen und ausführlich kommentierten Nachdruck vor. Die Publikation ist aus einem Seminar am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien zur "Adelskultur der Barockzeit" hervorgegangen, das die beiden Herausgeber veranstaltet haben. Mit dem Buch "sollte ein frühes und bedeutendes, in seiner Gesamtheit aber noch zu wenig beachtetes Dokument zur Geschichte und Architektur der Barockstadt Wien in kommentierter Form einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden." (Vorwort, S. 7).

Diesen Anspruch können die Herausgeber und dreizehn Autoren/innen einlösen. Ausführliche Kommentare zu Stil, Auftraggeber, Architekten, Nutzungsgeschichte, historische Vergleichsabbildungen (Stiche, Pläne, Photos) und zeitgenössische Beschreibungen ermöglichen einen Vergleich untereinander und mit anderen Bauaufgaben dieser Zeitepoche.

Auf den Kupferstichen sind vor allem bedeutende Bauwerke von Johann Bernhard Fischer von Erlach oder Johann Lucas von Hildebrandt abgebildet, die bis in die heutige Zeit das Stadtbild von Wien prägen; darunter das Winterpalais des Prinzen Eugen (heute Finanzministerium) oder das Palais Trautson (heute Justizministerium). Aber es finden sich auch Platzansichten zahlreicher älterer Bauwerke, die erst in den Epochen des Spätbarock und Historismus durch Neubauten ersetzt wurden.

An dieser Stelle sollen uns jene Tafeln näher beschäftigen, welche Gartenpaläste und Gartenanlagen zeigen. Dies ist bei insgesamt 14 Tafeln der Fall. Bei Tafel 10 ("Schottenplatz/Freyung") fällt der in den 1980er Jahren endgültig für eine Tiefgarage zerstörte Pavillongarten des Palais Harrach auf. Hellmut Lorenz ist zuzustimmen, wenn er bei dieser kleinen Gartenanlage ("ummauertes Gärtchen") mit Lusthaus von einem "besonderen räumlichen Luxus" im innerstädtisch, dicht verbauten Bereich Wiens spricht. Auf einem Grundrissplan aus dem 18. Jahrhundert (Seite 63) ist dieser Freiraum deutlich zu erkennen. Der auf Seite 62 abgebildete Ausschnitt aus dem Stadtplan um 1710 von Werner Arnold Steinhausen zeigt übrigens neben dem Harrachschen Pavillongarten den Kreuzganggarten des Schottenstiftes. Gleichfalls ist auf Tafel 10a ("Stadtpalais Daun-Kinsky") und dem ebenfalls abgedruckten Kupferstich von Jacob Wilhelm Heckenauer (1716) ein seitlicher Blick auf den Harrachschen Pavillongarten möglich.

Mit Tafel 17 beginnt im Kupferstichwerk von Fischer/Delsenbach die Behandlung der Gartenpaläste und "Lust-Gebäude" der Vorstadt und der Vororte: Schönbrunn (Tafel 17,18), Neugebäude (Tafel 19, Garten nicht mehr existent), Gartenpalais Mansfeld-Fondi-Schwarzenberg (Tafel 20), Gartenpalais Trautson (Tafel 21,22, 23; Garten nicht mehr existent), Paa´sche Reitschule (Tafel 24, nicht mehr existent), Gartenpalais Liechtenstein (Tafel 25), Gartenpalais Althan (Tafel 26, nicht mehr existent), Gartenpalais Strattmann (Tafel 27), Gartenpalais Huldenburg (Tafel 28, nicht mehr existent) und Gartenpaläste Starhemberg und Engelskirchner (Tafel 29/30; teils nicht mehr existent).

Die Tafel 19 zeigt mit dem Renaissanceschloss Neugebäude den einzigen nicht-zeitgenössischen Bau der Serie. Erfreulich ist der seltene Abdruck des Kupferstiches von Neugebäude und Schönbrunn aus dem Werk "Alt- und Neues Österreich, 1734-1737". Dieser und Matthäus Merians Stich ermöglichen eine kritische Erfassung der Gartenanlagen dieses bedeutenden Renaissancebaues nördlich der Alpen.

Interessant ist, dass der Autorin bei Tafel 20, welche das Gartenpalais Mansfeld-Fondi-Schwarzenberg zeigt, die Abbildung von Schloss Neugebäude im oberen linken Eck keine Erwähnung Wert ist.

Abschließend sei auf eine Ausstellung (mit Ausstellungskatalog) im Historische Museum Wien (10. Mai 2007 bis 4. November2007) hingewiesen: Zu den wichtigsten Bildquellen der Geschichte Wiens zählt die "Sammlung von Aussichten der Residenzstadt Wien", die ab 1779 im Verlag Artaria erschien. Es handelt sich dabei um 57 kolorierte Umrissradierungen, gezeichnet und gestochen von Carl Schütz, Johann Ziegler und Laurenz Janscha. Sie sind in der Ausstellung "Schöne Aussichten" zu sehen.

 


Christian Hlavac


Lorenz, Hellmut, Weigl, Huberta (Hrsg.): Das barocke Wien. Die Kupferstiche von Joseph Emanuel Fischer von Erlach und Johann Adam Delsenbach (1719). Michael Imhof Verlag. Petersberg 2007. 160 Seiten, 29,7 x 24 cm, 172 Abbildungen, Hardcover. ISBN 978-3-937251-76-9. EUR 19,95, sFr 34,20



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