Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge
Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge
Künstliche Felsen, Grotten und Berge sind wiederkehrende Motive in Gartenkunst und (Garten-)Architektur. Geprägt wurde der Einsatz dieser Motive und Architekturen durch den anhaltenden Wettstreit, wer der bessere Architekt oder Künstler war bzw. ist: der Mensch oder die Natur. Im Falle zahlreicher Grotten der Renaissance bevorzugte man rare oder bizarre Materialien; denn diese wiesen die Natur selbst als Künstlerin aus, die vom Menschen formvollendet eingesetzt wurde. "Künstlich geschaffen" oder "natürlich entstanden": Das war in der Renaissance und im Barock kein absolutes Gegensatzpaar in der (Garten-)Kunst. Im 19. Jahrhundert hingegen "triumphierten" (Anette Freytag) die Ingenieure mit modernen Materialien wie Portlandzement und Beton über die Natur. Die industriell nachgebaute Natur war Ausdruck eines bewusst eingesetzten Schwindels, wie das Beispiel der Buttes-Chaumont (Paris) zeigt. Zur Wahl von Natur- oder Kunststein beim Bau von Felspartien und Grotten entbrannte daher Anfang des 20. Jahrhunderts eine Diskussion unter den deutschen Gartentheoretikern (siehe den Beitrag von Julia Berger).
Das vorliegende Buch stellt in 21 Beiträgen (davon zwei in französischer Sprache) die vielfältigen Erscheinungsformen und Bauarten von künstlichen Grotten, Felspartien und Bergen seit dem 16. Jahrhundert bis heute mit einer Fälle an zeitgenössischen und aktuellen Abbildungen vor. Auch die Rezeption natürlicher Höhlen in Malerei und Film wird beleuchtet.
Das Werk ist in die vier Kapitel "Gebaute Berge", "Natürliche und künstliche Grotten", "Material und Konstruktion" sowie "Restaurierung und Konservierung" gegliedert, wobei die Bandbreite an Themen innerhalb der Kapitel sehr groß ist. Im ersten Kapitel reicht sie beispielsweise von Alpengärten und Schweizerhäusern als Symbol der "wahren" Natur (Annemarie Bucher) bis zur Frage, inwieweit die Schweizer Teufelsbrücke im Kanton Uri Nachahmung in Gärten und Parks gefunden hat (Kilian Jost). Die letzten beiden Kapitel "Material und Konstruktion" sowie "Restaurierung und Konservierung" sind stark von konkreten Fällen geprägt: Von prominenten Beispielen, wie der Venusgrotte König Ludwigs II. im Schlosspark von Linderhof, bis hin zu kaum bekannten Anlagen (zum Beispiel in Zürich) reicht das Spektrum der hier besprochenen künstlichen Felsbauten bzw. Grotten. Die dazugehörigen Texte und Abbildungen sind gerade für Praktiker, die künstliche Felsen, Grotten oder Berge betreuen, von hoher Relevanz.
Das Werk macht deutlich, was Uta Hassler im ersten Beitrag anspricht: Dass die Geschichte der künstlichen Berge und Grotten nicht nur ideengeschichtliche und architektonische Komponenten aufweist, sondern auch Fragen nach der eingesetzten Technologie und der verwendeten Materialien gestellt werden müssen. Schade ist, dass keine Angaben zu den Autorinnen und Autoren gemacht werden und nur kurz auf die Genese des Buches eingegangen wird. Aus Anmerkungen geht zumindest hervor, dass einige Beiträge auf der Züricher Tagung "Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge. Motive der Natur in Architektur und Garten" (2010) basieren und weitere im Rahmen des Projektes "Zur Ikonographie der Alpenlandschaft: Kunstberge und Kunsthöhlen (1830-1918)" am Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich entstanden.
Positiv hervorzuheben sind einerseits die Angabe zahlreicher weiterführender Literatur aus verschiedenen Ländern und in verschiedenen Sprachen, andererseits die den Text unterstützenden Abbildungen. Die Stärke des Buches liegt im Ansatz, die Thematik aus verschiedenen fachlichen Blickwinkeln zu beleuchten, und in der Besprechung konkreter Restaurierungsbeispiele (zum Beispiel Instandsetzung der Erlanger "Neischl-Grotte"). Andererseits macht das Fehlen eines einführenden Textes deutlich, dass der "rote Faden" durch den Sammelband an manchen Stellen relativ dünn ist.
Christian Hlavac
Hassler, Uta (Hrsg.): Felsengärten, Gartengrotten, Kunstberge. Motive der Natur in Architektur und Garten. Hirmer Verlag. München 2014. Leinen mit Schutzumschlag, 384 Seiten, 405 Farb- und s/w-Abbildungen, ISBN 978-3-7774-2269-5. EUR 49,90 [D], EUR 51,30 [A], SFr 64,30
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