Frauendorfer Gartenschätze

Frauendorfer Gartenschätze

 

Wer kennt - ohne in einem Fachbuch nachzuschauen - den Namen Johann Evangelist Fürst?! Dass der niederbayerische Gartenpionier und Volksaufklärer Johann Evangelist Fürst (1784-1846) mit seinen zahlreichen Publikationen und Unternehmungen europaweit agierte, ist heute fast völlig in Vergessenheit geraten. Es ist daher den Herausgebern bzw. den Initiatoren des Projektes "Gartenkunst im Passauer Land" hoch anzurechnen, dass sie seiner Person eine gut gedruckte, inhaltlich abwechslungsreiche und mit zahlreichen Illustrationen versehene Publikation widmen.

Johann Evangelist Fürst, 1784 als Bauernsohn im niederbayerischen Frauendorf geboren, gründete 1822 eine der ersten Gesellschaften, die sich die Förderung des Gartenbaus und der Gartenkultur zur Aufgabe nahm: die "Praktische Gartenbau-Gesellschaft zu Frauendorf". Zum Vergleich: Der in Fachkreisen deutlich bekanntere Verein zur "Beförderung des Gartenbaues in den Königlich-Preußischen Staaten" unter Federführung Peter Joseph Lennés wurde im gleichen Jahr gegründet; fünf Jahre später folgte die Österreichische Gartenbaugesellschaft.

Fürsts Publikationen - im deutschsprachigen Raum ist er vor allem durch die Herausgabe der "Allgemeinen Deutschen Garten-Zeitung" (ab 1823) bekannt geworden - dienten ihm zur Verbreitung seiner volksbildnerischen und aufklärerischen Ideen. Mit seiner Gärtnerei/Baumschule in Frauendorf - der Schwerpunkt lag auf Obstgehölzen und Rosen - verknüpfte er Theorie und Praxis. Er wollte und konnte seine Ideen durch seinen Musterbetrieb praktisch umsetzen. Im Verzeichnis von 1841 sind insgesamt 3268 (!) verschiedene Obstsorten, über 1500 Sorten an Ziergehölzen, Sträuchern und Stauden sowie 581 Rosensorten gelistet. Getrieben wurde er von seinem Grundsatz "Ganz Bayern ein Garten". Den fortschrittlichen Landbau sah er als wichtige Grundlage des Staates und des wirtschaftlichen Wohlstandes der Landbevölkerung. Sein "Mustergut" Frauendorf betrachtete er als praktische Stätte seiner Verbesserungsvorschläge für eine zeitgemäße Landbewirtschaftung.

Die Artikel im Sammelband kreisen - manche mit kleinem, manche mit großem Radius - um die Person Johann Evangelist Fürst und seine Tätigkeiten. Die Autorinnen und Autoren gehen der Frage nach, warum er so agierte, und in welchem gesellschaftspolitischen Umfeld er seine Tätigkeiten vollzog. Claudia Gröschel stellt im ersten Beitrag die Person Fürst als Volksaufklärer, Gesellschaftsgründer, Publizist und Unternehmer vor. Raimund Maier widmet sich dem bäuerlichen Alltag in Niederbayern um 1820, Hans Mendl beleuchtet die Pfarrer jener Zeit und deren Einfluss auf die Gartenkultur und Herbert W. Wurster schreibt über die Aufklärung und Modernisierung Bayerns im frühen 19. Jahrhundert. Hervorzuheben ist der Beitrag von Gábor Alföldy: Er analysiert die in der "Allgemeinen Deutschen Garten-Zeitung" erschienenen Beschreibungen von Gartenanlagen (samt angeführter Gärtner) im Karpartenbecken (Ungarn, Kroatien, Burgenland). Sein Text ermöglicht es den Lesern, die Verflechtungen jener Zeit zu erkennen, und bietet einen Blick hinter die (nationalen) Grenzen. Willy A. Zahlheimer geht der Frage nach, welche Spuren die Gärtnerei Fürst nach 1920 in der lokalen Flora hinterlassen hat. In welchen Ausmaßen der Gartenbaubetrieb in den bayerischen Grundsteuerkatastern nachzuweisen ist, untersuchen Rudolf Püschel und Anton Scholz. Rainer Herzog legt in seinem Beitrag über das höfische Gartenwesen in Bayern zu Zeiten Fürsts eine feine, elegante Spur zum bayerischen Hofgarten-Intendanten Friedrich Ludwig von Sckell, und geht anhand von Primärquellen der Frage nach, wie weit sich Fürst und Sckell gegenseitig in ihrer Arbeit beeinflusst haben könnten. Branka Butina versucht eine allgemeine, europäische Landschaftsgestaltungsgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts zu zeichnen, wobei sie vor allem betreffend Barockgarten und englischen Landschaftsgarten zu platte Aussagen trifft, über die die Gartenforschung schon längst hinweg ist. Udo Karl widmet sich der Sortenprüfung von Rosen in Frauendorf und klärt die Rolle von Fürst bei der Rosenkultivierung in Mitteleuropa. Abgeschlossen wird der Band mit einem Beitrag von Georg Thuringer über Merkwürdiges und Zukunftsträchtiges in den Fürst´schen Publikationen und mit dem Abdruck von "Bauern- und Bürgerkost"-Rezepten, die mit Mitteln und Mengenangaben unserer Zeit dem Geschmack der Zeit von Johann Evangelist Fürst nachempfunden sind - präsentiert vom Koch Alois Wimmer.

Auffällig ist, dass der "Gartenpionier" Fürst europaweit agierte und publizierte; die Mitgliederliste "seiner" Gesellschaft - die im Jahre 1830 die stolze Anzahl von 1491 in- und ausländischen Mitgliedern umfasste - bezeugt dies. Mit dem Ableben des letzten direkten Erbens im Jahre 1920 verschwand mit der Obstbaumzucht endgültig sein Mustergut Frauendorf und somit die direkte Verbindung zur Fürst´schen Gartenbaugesellschaft und deren Publikationen, von der sogar der Brite John Claudius Loudon in "The Gardener´s Magazine" berichtete.

 

Christian Hlavac

 

 

Claudia Gröschel und Hermann Scheuer (Hrsg.): Frauendorfer Gartenschätze. Das Werk Johann Evangelist Fürsts im Spiegel seiner Zeit. Dietmar Klinger Verlag. Passau 2012. 220 Seiten. ISBN 978-3-86328-117-5. EUR 24,80

 



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