Klingende Wasser
Klingende Wasser
Die vorliegende Publikation basiert auf der 2015 abgeschlossenen kunstgeschichtlichen Dissertation des Autors, der sich einer vergessenen und oft missverstandenen Erfindung widmet: dem wasserbetriebenen Klangautomaten.
Heute verbindet man mit dem Begriff "Wasserorgel" oft rhythmisch bewegte Wasserfontänen mit begleitender musikalischer Untermalung und Beleuchtung. Dass es sich jedoch im eigentlichen Sinne um ein wasserbetriebenes Instrument handelt, ist – laut Autor – allenfalls Musikhistorikern bekannt und – laut Rezensent – einigen wenigen an Gartenkunst Interessierten.
Aus dem antiken Instrument der Wasserorgel entwickelten sich in der Neuzeit diverse Formen von Automaten, die völlig eigenständig Naturgeräusche und Tierstimmen imitieren konnten oder gar komplexe Musikstücke zum Erklingen brachten. Als erste dieser automatisierten Wasserorgeln – der Klang emtsteht durch einen Winddruck, der durch fließendes Wasser erzeugt wird – müssen jene aus den 1560er-Jahren in den Anlagen Villa d´Este in Tivoli und Villa Medicea in Pratolino gelten. Durch die Rekonstruktion der Wasserorgel im römischen Quirinalspalast in den 1990er-Jahren ist inzwischen der Beweis erbracht, dass die in Techniktraktaten des 16. und 17. Jahrhundert theoretisch beschriebenen hydropneumatischen Automatophone real existierten und funktionierten.
Das Buch teilt sich in mehrere Kapitel auf. Alexander Ditsche widmet sich zuerst den antiken und mittelalterlichen Wurzeln wasserbetriebener Automaten und Automatophone. Da in der Neuzeit erstmals hydropneumatische Automatophone in Italien errichtet wurden, stellt der Autor einen Kontext zum technischen und geschichtlichen Umfeld der Zeit um Mitte des 16. Jahrhunderts her. Es wird dabei auch erläutert, wie die Automaten technisch funktionierten. Im längsten Kapitel (Kap. 4) werden in Summe 29 gesichert nachweisbare hydropneumatische Automatophone in Text und Bild näher vorgestellt, wobei der Autor – mit ganz wenigen Ausnahmen – ausschließlich zeitgenössische Literatur und Sekundärliteratur aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert verwendet. Fazit dieses Kapitels: Es finden sich in den zeitgenössischen Beschreibungen so gut wie keine detaillierten Bauanleitungen, was eine allfällige Rekonstruktion in vielen Fällen verunmöglicht. Das nachfolgende Kapitel 5 widmet sich solchen Automatophonen, deren Quellenlage unzureichend erforscht ist oder deren Existenz infrage zu stellen ist. Zusätzlich wird auf weitere, bisher in der Forschung kaum beachtete (mögliche) Standorte von Wasserautomaten hingewiesen. Im Kapitel 6 stellt der Autor die Musik der Wasserautomaten näher vor, wobei das Wissen darüber aufgrund fehlender zeitgenössischer Informationen gering ausfällt. Ein kurzes Kapitel über die Bedeutung der hydropneumatischen Automatophone für die Konzeption und Nutzung einer Gartenanlage folgt. Hier seien die Stichworte "Attraktion", "Unterhaltung" und "Statussymbol" erwähnt. Das Kapitel 7 behandelt alle in den letzten Jahrzehnten in Europa rekonstruierten oder neu errichteten Wasserautomaten. Ein Fazit und die Erläuterung offener Fragen bei der Erforschung des Phänomens "klingender Wasser" sowie ein Anhang (Übersicht aller besprochenen Automatophone, Notenbeispiele, Literaturverzeichnis und Verzeichnis der 18 Titel auf der beigefügten Audio-CD) schließen das Buch ab.
Die Stärke des Buches liegt darin, dass erstmals systematisch das Phänomen wasserbetriebener Klangerzeugung in Gärten von der Antike bis zur Gegenwart aufgearbeitet wird. Es zeigt sich dabei, dass zahlreiche Behauptungen in der bisherigen Fachliteratur nicht durch belastbare Quellen als Tatsachen belegt werden können und dass das gesicherte Wissen über die Funktionsweise, das figürliche und musikalische Programm sowie die Baugeschichte in den seltensten Fällen ein umfassendes Bild von den hydropneumatischen Automatophonen liefert. Das Buch von Alexander Ditsche hilft, diese Defizite, die nur durch das Auffinden bisher unbekannter Unterlagen ausgeglichen werden könnten, deutlich zu erkennen.
Christian Hlavac
Alexander Ditsche: Klingende Wasser. Hydropneumatische Musik- und Geräuschautomaten in der europäischen Gartenkunst. Kunstwissenschaftliche Studien Band 190. Deutscher Kunstverlag. Berlin 2017. 328 Seiten, 185 s/w-Abb., mit Audio-CD, 19,5 x 26 cm, Hardcover, ISBN 978-3-422-07397-5. EUR 49,90 [D]
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