Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen

Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen

 

Im Jahre 2005 kündigte ein deutsches Aktionshaus die Einzelversteigerung einer Bibliothek an, die längst in Vergessenheit geraten war: die Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen. Durch ein gemeinsames Engagement der Länder Niedersachsen, Hessen und Thüringen konnte die Zerstreuung der für die Geschichte der Gartenkultur sehr wertvollen Sammlung abgewendet werden. Mit zusätzlicher Hilfe von Stiftungen erwarb die öffentliche Hand 2007 die gesamte Sammlung. Ihre Werke wurden auf drei wissenschaftliche Bibliotheken verteilt: die Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt am Main, die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar und die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover.

Die Sammlung, die sich rund einhundert Jahre im "Bibliothekspavillon", dem heutigen Verwaltungsgebäude des Berggartens in Herrenhausen (Hannover) befunden hat, umfasst neben der einstigen Dienstbibliothek der hannoverschen Hofgärtner auch einen überaus wertvollen Handschriftenbestand. Sie enthält etwa 860 gedruckte Werke in mehr als 2.000 Bänden über Garten- und Obstbau, Gartenkunst und vor allem Botanik, darunter zahlreiche Bücher mit meisterhaften Illustrationen. Zum Handschriftenbestand gehören Manuskripte der Hofgärtner, mehrere Hundert Pflanzen- und Architekturzeichnungen, 170 Abbildungen von historischen Obstsorten und vier Herbarien.

Die Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen geht auf die private Dienstbibliothek des Hofgärtners Johann Christoph Wendland zurück, welche die Hofgartenverwaltung 1832 ankaufte und als Grundstock der königlichen Gartenbibliothek diente. Das als Gartenmeisterhaus erbaute Eingangsgebäude des Berggartens war nicht nur Jahrzehnte lang Arbeitsmittelpunkt der Hofgärtnerfamilie Wendland, sondern einst auch Aufstellungsort dieser Gartenbibliothek. Der vorwiegend aus Handschriften bestehende Nachlass der drei Hofgärtner Wendland gibt einen guten Einblick in die Arbeits- und Lebenswelt von Vater Johann Christoph Wendland (1755–1828), Sohn Heinrich Ludolph (1792–1869) und Enkel Hermann (1825–1903), die alle drei die Gestaltung und das Werden des Berggartens in Hannover stark beeinflusst haben. Mit Hermann endete die 125-jährige Gärtnertradition der Wendlands in Herrenhausen.

Der vorliegende reich bebilderte Band aus der Reihe "Schatzkammer" der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek präsentiert die wichtigsten und schönsten Stücke dieser für die Gartengeschichte bedeutungsvollen Sammlung und ordnet sie in ihren historischen Zusammenhang ein: Heike Palm erläutert im Einleitungsbeitrag detailreich die Geschichte der Sammlung. Matthias Wehry befasst sich mit dem pomologischen Teil der Sammlung (Bücher, Zeichnungen). Heike Palm präsentiert ausgewählte Objekte der Handschriftensammlung, wie zum Beispiel Aquarelle und Lithographien von Palmen, kolorierte Zeichnungen von Johann Christoph Wendland von ausländischen Pflanzen des Berggartens sowie Pläne für Orangeriegebäude oder Ananastreibhäuser. Susanne Schilling stellt ausgewählte gedruckte Werke der Sammlung vor: unter anderem das von Nikolaus Joseph Freiherr von Jacquin 1797–1804 herausgegebene Werk "Plantarum rariorum Horti Caesarei Schoenbrunnensis". Michael Schwahn widmet sich in seinem Beitrag dem in der Handschriftensammlung befindlichen Nachlass des in Schweden geborenen Obergärtners Albert Fredrik Malmquist. Gerhard Wagenitz stellt die erhaltenen Herrenhäuser Herbarien vor und Hubert Rettich präsentiert ausführlich die Biographien der drei Wendland-Gärtner. Lidia Ludwig widmet sich der Geschichte des Nachlasses dieser Hofgärtnerfamilie und stellt zum Beispiel Lehrbriefe, Ernennungsurkunden, Reisebücher und Bücher vor. Ein Literatur- und Quellenverzeichnis schließt die Publikation ab.

Das vorliegende Buch verbindet die bildliche und textliche Vorstellung von zahlreichen Objekten mit den Akteuren und liefert so eine umfassende Darstellung der Königlichen Gartenbibliothek Herrenhausen. Das Werk ist optisch sowie haptisch ansprechend und besticht durch hervorragend gedruckte Abbildungen. Dies alleine ist ein ausreichender Grund, die Publikation zu erwerben. Einzig das Fehlen eines Personen- und Ortsregisters verringert ein wenig die durchgehend hohe inhaltliche Qualität des Werkes.

Eine Anmerkung aus österreichischer Sicht: Interessant sind zahlreiche Verweise auf Wien (und einige kaiserliche Hofgärtner). So war Heinrich Ludolph Wendland von Mai 1811 bis April 1814 Gärtnergehilfe in den Gewächshäusern des botanischen Gartens der Universität Wien, und Hermann Wendland lernte unter anderem 1846/1847 im Schönbrunner Garten.

 

Christian Hlavac

 

 

Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (Hrsg.): Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen. Eine kostbare Sammlung, ihre Geschichte und ihre Objekte. Eigenverlag. Hannover 2016. Leineneinband, 336 Seiten, ISBN 978-3-943922-16-5. EUR 49,50 [D]

 

 

 



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