Pflege historischer Gärten

Pflege historischer Gärten

23 Jahre nach dem Erscheinen des Grundlagenwerkes "Gartendenkmalpflege", herausgegeben von Dieter Hennebo, widmet sich wieder ein gewichtiges deutschsprachiges Werk (mit 560 Seiten) ausschließlich dem Thema der Gartendenkmalpflege. Die Autoren/innen des Handbuches beleuchten historische Anleitungen zu Gartentechniken, Bauweisen und Pflegeansätze sowohl in historischer Dimension als auch aus der Sicht der Praxis anhand von vier maßgeblichen Elementen historischer Gärten: Gehölze, Blumen, Wege und Wasseranlagen.

Ein Team von fünf Autoren/innen beschreibt im Buch die Entwicklung und Pflege dieser vier Elemente von der Renaissance bis ins 20. Jahrhundert und bewertet die Praxis heutiger Maßnahmen der Gartendenkmalpflege am Beispiel von 30 historischen Parkanlagen Deutschlands.

Der erste Teil des Buches (S. 17-215) behandelt die Theorie der Technik, Gestaltung und Pflege dieser vier Gartenelemente. Spezifische Formen sind nach fünf Epochen von der Renaissance bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts definiert und dargestellt. Der zweite Teil (S. 218-513) dokumentiert und bewertet - je nach Autor/in des Kapitels in unterschiedlicher Intensität und persönlicher Färbung - die Praxis heutiger Instandsetzungs- und Pflegepraktiken der vier Gartenelemente am Beispiel der 30 deutschen Anlagen.

Die Ergebnisse und Empfehlungen im dritten Teil (S. 516-541) fassen als "Stand der Technik" die gartentechnischen und methodischen Praktiken und Wertungen zusammen. Die Conclusio der Buchautoren/innen: Es gibt offensichtlich kein Patentrezept für die Pflege bzw. den Erhalt historischer Gärten und Parks. Empfehlungen können genau genommen nur auf den jeweiligen Einzelfall reduziert werden. Die "Maßnahmen sind von spezifischen Bedingungen abhängig, durchlaufen besondere Entwicklungsgänge und sind im Rahmen besonderer Anforderungen des denkmalpflegerischen Auftrages immer auch Lernprozessen, manchmal sogar kreativen Experimenten unterworfen. Die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen von Pflegemaßnahmen in 30 historischen Gartenanlagen Deutschlands bleiben sicherlich fragmentarisch, weil nur Pflegepraktiken bezüglich bestimmter Gartenelemente und diese nur zu einer bestimmten Jahreszeit erfasst und bewertet worden sind." Sie sind auf der Grundlage zweier Forschungsprojekte am Institut für Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover entstanden. Das eine behandelte die "Wegebaukunst in historischen Gärten" (2000), das andere "Pflegekriterien bei Gehölzen, Blumen, Wasseranlagen in historischen Gärten" (2002/03). Die beiden Forschungsprojekte stellen als Dokumentation eine Momentaufnahme dar. Seit diesem Zeitraum liegen zudem neuere Forschungen vor, die nicht mehr ausgewertet worden sind, wie Michael Rohde in der Einleitung betont.

Wie die Autoren/innen im Kapitel "Ergebnisse und Empfehlungen" festhalten, sind bei den durchgeführten Untersuchungen gleichartiger Pflegeaufgaben neben Gemeinsamkeiten auch Gegensätze in der Pflegemethodik, der Erhaltungsstrategie, der Verwendung von Materialien oder der Anwendung bestimmter Techniken deutlich geworden: "Die Gründe dafür können vielfältig sein: Sie können in unzureichender Bereitstellung geeigneten Pflegepersonals und notwendiger Finanzen, in einer nicht vorhandenen Pflege und Bewirtschaftung in Eigenregie oder auch in unzureichenden Qualifizierungsmöglichkeiten des ausführenden Personals gefunden werden. Zudem sind die notwendige Infrastruktur und Ausstattung der jeweiligen Gartenverwaltungen heterogen, z. B. die Verfügbarkeit über eigene Gärtnereien und Technikhöfe, über Quantität und Qualität der Maschinen und Gartengeräte. [...] Ein weiterer Aspekt: Die Konsens- bzw. Kompromissfindung mit anderen öffentlichen Belangen, z. B. dem Naturschutz, spielt eine wichtige Rolle. Schließlich werden manch unterschiedlich durchgeführte Pflegemaßnahmen und Erhaltungsmethoden durch aktuelle und überzogene Forderungen von Nutzungsinteressen erzwungen. Diese gehen meist über denkmalgerechte Nutzungsformen hinaus und können in der Folge sogar zu politisch motivierten Veränderungen bzw. Zerstörungen von Substanz in den Gärten führen."

Das vorliegende Buch eignet sich - schon aufgrund der 560 Seiten - nicht als Lesebuch, sondern es ist ein Nachschlagewerk für historisch Interessierte, Auszubildende, Gärtner/innen, Landschaftsgestalter/innen und Gartendenkmalpfleger/innen. Ein Glossar für (nicht mehr) gebräuchliche Fachwörter/-begriffe wäre für viele der Zielgruppen hilfreich gewesen, um die Suche nach diesen Begriffen und das Verständnis für diese zu erleichtern. Eine Einschränkung in der Benutzung liegt insofern vor, als fast ausschließlich nur deutschsprachige Literatur ausgewertet und der Fokus nur auf Deutschland gelegt wurde. Renaissance- und Barockwasserkünste, wie sie vor allem in Italien in vielen Anlagen vorhanden waren und sind, werden leider nicht behandelt, da sie in den vorgestellten deutschen Anlagen nicht vorhanden sind.

Ein prinzipielles Problem des im August 2008 gedruckten Buches liegt in der späten Publikation der Forschungsergebnisse, die den Stand aus dem Jahr 2000 (Kapitel Wege) bzw. 2003 (Kapitel Gehölze, Blumen, Wasseranlagen) widerspiegeln. Was es heißt, acht Jahre altes Datenmaterial zu publizieren, sei am Beispiel des Muskauer Parks (S. 423 ff) aufgezeigt. Dort heißt es, dass der Park einem starken Nutzungsdruck vor allem durch Fahrzeuge des Bundesgrenzschutzes ausgesetzt ist (sic) und in Ausnahmefällen schmale Fußgängerwege für die Benutzung durch den Bundesgrenzschutz verbreitert und stärker befestigt werden müssen. Durch den Wegfall der Schengengrenze stellt sich die Situation heute - acht Jahre später - ganz anders dar.

Bei so einem umfangreichen Werk passiert es zwangsläufig, dass sich kleine Fehler einschleichen: So wird z.B. bei der bildlichen Gegenüberstellung von Baumgruppengestaltungen aus den "Andeutungen über Landschaftsgärtnere" (Pückler-Muskau) die Zuordnung "gezwungener" und "ungezwungener" Stil vertauscht (S. 42), die Bildunterschrift unter die Darstellung einer Parterregestaltung von d´Aviler (S. 82) unvollständig angegeben, denn die Abbildung zeigt - wie die Stichlegende belegt - ein Parterre a l´angloise und (sic) ein Parterre de broderie, und das tote Holz wird an einem Baum als "Todholz" belassen (S. 255).

Positiv hervorzuheben ist das Plädoyer für Pflegearbeiten in historischen Gärten in Eigenregie (S. 517 ff). Es basiert auf dem im Buch erstmals publizierten Positionspapier "Notwendigkeiten der Gartenpflege in Eigenregie in den staatlichen Gärten der Schlösserverwaltungen" der Fachgruppe Gärten der AG Deutsche Schlösserverwaltungen. Die Autoren/innen sprechen sich darin eindeutig für Gartenarbeiten in Eigenregie insbesondere für historische Gärten aus und begründen ihre Position ausführlich.

Das Buch ergänzt sehr gut das bekannte, von Dieter Hennebo herausgegebene Grundlagenwerk "Gartendenkmalpflege" (1985), welches u.a. die Geschichte der Gartendenkmalpflege, Erforschung, Inventarisierung, Auswertung historischer Pläne und die Kostenermittlung der Pflege umfasst. Es ergänzt auch andere Übersichtsbücher wie z.B. "Historische Gärten in Deutschland. Denkmalgerechte Parkpflege" des Arbeitskreises Historische Gärten der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur (2000). Zusätzlich sei auf die Fachbücher aus dem Bereich Gehölze und Wege verwiesen. Hier ist z.B. zu nennen: "Bäume und Sträucher in historischen Gärten" (Clemens Alexander Wimmer) und "Gehölze und Wege in formalen historischen Gartenanlagen Österreichs" (Rupert Doblhammer und Anita Drexel).

Jedenfalls gehört das Buch "Pflege historischer Gärten. Theorie und Praxis" in die Bibliothek all jener Menschen, die sich mit dem Erhalt historischer Gärten ehrenamtlich oder beruflich beschäftigen.

Christian Hlavac

Rohde, Michael (Hrsg.): Pflege historischer Gärten. Theorie und Praxis. 560 Seiten. 600 farbige und s/w-Abb., Hardcover. Edition Leipzig. Leipzig 2008.

 

 



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