Politik durch die Blume

Politik durch die Blume

 

Auffällig ist, dass in den letzten Jahren zahlreiche Aufsätze und Publikationen dem Thema der Gartenschauen und Gartenbauausstellungen der Nachkriegszeit und somit auch der damaligen Gartenkunst gewidmet wurden. An dieser Stelle sei als Beispiel das sehr lesenswerte Buch "Blumenstadt Erfurt" aus 2011, herausgegeben von Martin Baumann und Steffen Raßloff, erwähnt. Seit dem Frühjahr 2013 liegt nun die gedruckte Dissertation der Historikerin Kristina Vagt zu einem bisher kaum erforschten Thema vor: der Gartenschauen und Gartenbauausstellungen im gesellschaftlichen und politischen Spannungsfeld der beiden deutschen Staaten BRD und DDR in den 1950er bis 1970er-Jahren.

Im sogenannten Kalten Krieg nutzten beide deutsche Staaten Messen und Ausstellungen, um sich nach innen und außen darzustellen. Gleichzeitig präsentierten die Eröffnungsredner und die Informations- und Werbeschriften die international ausgerichteten Gartenschauen und Gartenbauausstellungen als Veranstaltungen im Zeichen des Friedens und der "Völkerfreundschaft". Sie waren Foren für die gärtnerische Fachwelt, eigneten sich wegen ihres unpolitischen Erscheinungsbildes aber auch dazu, ein Massenpublikum über politische und städtebauliche Entwicklungen zu informieren.

Während die DDR bei diesen Anlässen die Kollektivierung und Industrialisierung der Landwirtschaft und des Gartenbaus mittels didaktischer und wissenschaftlicher Konzepte propagierte, betonten die westdeutschen Ausstellungen - ganz im Zeichen der politischen Systemkonkurrenz der damaligen Zeit - die Westintegration, wobei die Westdeutschen auf ein unpolitisches Erscheinungsbild achteten.

Die interdisziplinär angelegte Arbeit Vagts beleuchtet mehrere internationale Garten(bau)ausstellungen in Hamburg und Erfurt und deren Traditionslinien seit dem 19. Jahrhundert. Zu nennen sind auf Hamburger Seite die Internationalen Gartenausstellungen 1953, 1963 und 1973; auf Erfurter Seite die Gartenbauausstellungen 1950, 1955, 1961, 1966 und 1974. Die Autorin analysiert für jede dieser Veranstaltungen die Organisation, das Gelände mit der Gestaltung, die Eröffnung, das Programm, die Bewerbung, die damaligen aktuellen politischen Zusammenhänge und die Resonanz in den beiden Staaten, sowohl bei gegenseitigen Besuchen von Fachleuten im jeweils anderen Land als auch in der (Fach-)Presse. Interessant ist dabei, dass es bei den verantwortlichen Landschaftsarchitekten eine personelle und räumliche Kontinuität gab, die beeindruckt: So war Karl Plomin von 1935 bis 1973 bei den Hamburger Ausstellungen gestalterisch federführend im Einsatz. Gleichzeitig erstaunt es, welche zahlreichen grenzüberschreitenden fachlichen Kontakte es zwischen Landschaftsarchitekten bis zum Mauerbau 1961 gab.

Das vorliegende Buch ermöglicht das Verstehen der (politischen) Ziele der Gartenschauen und Gartenbauausstellungen in der BRD und DDR. Die Autorin betont jedoch zu Recht zum Schluss, dass die gärtnerischen Ausstellungen in Hamburg und Erfurt nur "Puzzleteile im Gesamtbild der deutsch-deutschen Beziehungen" waren. Mit ihrer differenzierten Bewertung der eigenständigen Positionen der Ausstellungen und der zwischenstaatlichen Interaktionen gelingt es ihr, den einen Puzzlestein klar und deutlich darzustellen. Kristina Vagt ermöglicht mit ihrer Arbeit einen neuen Blick auf diese Großereignisse, die seit der Nachkriegszeit Besuchermagneten waren, sowie auf einen bisher kaum erforschten Aspekt deutsch-deutscher Geschichte. Dies gelingt ihr auch dadurch, dass sie in zahlreichen staatlichen Archiven Briefe und Protokolle durchforstet und Hunderte Artikeln in Tageszeitungen und in Fachjournalen analysiert hat.

 

Christian Hlavac

 

Kristina Vagt: Politik durch die Blume. Gartenbauausstellungen in Hamburg und Erfurt im Kalten Krieg (1950-1974). Dölling und Galitz Verlag. München/Hamburg 2013. 320 Seiten. 18 Farb- und 48 s/w-Abb. Hardcover, Format 17,4 x 24 cm, ISBN 978-3-86218-050-9. EUR 30,-



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