Rekonstruktion und Gartendenkmalpflege

Rekonstruktion und Gartendenkmalpflege

 

Rekonstruktionen sind bei einem Blick auf die aktuellen Diskussionen der Stadtplanung und Architektur v.a. in Deutschland anscheinend sehr "in". Die Frauenkirche in Dresden, das Stadtschloss Berlin und das Welfenschloss in Hannover-Herrenhausen seien in diesem Zusammenhang erwähnt. In der Gartenkunst hingegen finden sich nur relativ wenige Rekonstruktionsprojekte in den letzten Jahren wieder: Het Loo (Niederlande), Gottorf (Deutschland) und Schloß Hof (Österreich) können die relativ kurze Liste anführen. Der Druck auf die Gartendenkmalpflege, Rekonstruktionen von und in historischen Gärten zuzulassen, ist jedoch in den letzten Jahren - betrachtet man die öffentliche Diskussion - stark gestiegen. Hinzu kommt, dass verschiedene Begriffe wie Neugestaltung, Restaurierung, Teilrekonstruktion, Rekonstruktion, Nachbildung etc. sowohl in der Theorie als auch Praxis unterschiedlich verstanden bzw. verwendet werden.

Die aktuelle Debatte zur geplanten "Rekonstruktion" des berühmten Hortus Palatinus in Heidelberg war der Anlass für ein Symposium der Arbeitsgruppe Gartendenkmalpflege der Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland zum Thema "Rekonstruktion und Gartendenkmalpflege", das im April 2008 in Heidelberg stattfand. Es ergänzte die in den letzten Jahrzehnten schon erfolgten Klärungen über den Umgang mit verlorenen oder nicht vollendeten Werken der Bau- und Gartenkunst. Der Ergebnisband des Symposiums umfasst 15 Beiträge, teils aus dem Blickwinkel der Forschung und erörtert zum Teil anhand praktischer Beispiele den Umgang mit Rekonstruktionswünschen in historischen Gärten sowie denkmalgerechte Lösungen bei teilzerstörten Gartenanlagen.

Viele Referenten/innen des Symposiums nahmen eine kritische bzw. eindeutige Haltung gegenüber der "Rekonstruktion" des Hortus Palatinus ein. Nicht nur Erika Schmidt von der TU Dresden brachte die falsche Begriffsverwendung in die Diskussion ein: "Rekonstruktion" ist in der Disziplin der Denkmalpflege der Nachbau eines Werkes, das nicht mehr existiert, oder die Wiederherstellung eines vor längerer Zeit zerstörten Werkes in den alten Formen, mit den gleichen Werkstoffen und auch unter Anwendung der ursprünglichen Technik. Nicht nur der Blick auf die Praxisbeispiele (z.B. Nachbau eines Tempels und einer Brücke im Kleinen Tannenwald in Bad Homburg v. d. Höhe) zeigt, dass neue Materialien und Techniken (z.B. Stahl- statt Holzpfeiler) in der Gartendenkmalpflege eingesetzt werden.

Die Beiträge von Matthias Untermann (Universität Heidelberg) und Petra M. Martin (Landesamt für Denkmalpflege, Stuttgart) zeigen deutlich auf, dass das Wissen über die einstigen Zustände des Hortus Palatinus sehr gering ist. Die Forschung kann weder die einzelnen Schichten seit 1614 (Beginn der Arbeiten am Garten) genau nachzeichnen, noch bestimmt nachweisen, welche Schichten überhaupt existierten. Zusätzlich haben sich die Zielstellungen der Denkmalpflege - so Petra M. Martin in ihrem Beitrag - in den letzten hundert Jahren in Bezug auf den Heidelberger Schlossgarten mehrmals verändert. Einig war man sich jedoch immer, dass eine Rekonstruktion angesichts der dünnen Befundlage wissenschaftlich nicht vertretbar ist.

Warum die Debatte über den Hortus Palatinus für die Gartendenkmalpflege eine so bedeutende Rolle einnimmt, macht Martin Baumann in einem Nachtrag zum Symposium deutlich: Wenn es beim Hortus Palatinus um eine gartenkünstlerisch unbedeutende Anlage ginge, wäre die Rekonstruktionsfrage vermutlich nur von lokaler Bedeutung, mit der sich die Fachwelt auseinandersetzt oder auch nicht. "Angesichts der außerordentlichen Bedeutung des Heidelberger Schlosses und seiner Symbolkraft für die moderne Denkmalpflege sowie des hohen Bekanntheitsgrades - sowohl der Gartenanlage von Salomon de Caus als auch der Schlossruine - geht von der Entscheidung über die weitere Verfahrensweise mit dem Schlossgarten jedoch eine immense Vorbildwirkung aus, die für die gesamte Gartendenkmalpflege von einer Tragweite sein wird, die noch gar nicht abschätzbar ist. Damit ist die Frage nach der Rekonstruierbarkeit eines hypothetischen Renaissancegartens keine regionale Angelegenheit mehr, sondern sie betrifft die Gartendenkmalpflege insgesamt." Genau deshalb ist es wichtig, dass die Beiträge des Symposiums im Winter 2008 erschienen sind.

Christian Hlavac

Vereinigung der Landesdenkmalpfleger in der Bundesrepublik Deutschland, Regierungspräsidium Stuttgart - Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Rekonstruktion und Gartendenkmalpflege. Berichte zu Forschung und Praxis der Denkmalpflege in Deutschland. Band 15. Michael Imhof Verlag. Petersberg 2008. 152 Seiten. 115 farbige und s/w-Abb., 21 x 29,7 cm, Broschur. ISBN 978-3-86568-450-9, EUR 14,95 [D]



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