Von der Festung bis Planten un Blomen

 

 

Dieses Jahr feiert man in Hamburg ein Jubiläum: 200 Jahre Grüner Wallring. Zu diesem Anlass hat der Hamburger Gartendenkmalpfleger Heino Grunert ein Buch zum Thema herausgegeben. Vom Beginn des 17. Jahrhunderts an standen die Hamburger Wallanlagen über 200 Jahre lang für die Wehrhaftigkeit einer (nie eroberten) Stadt. Mit der Entfestigung und der Umgestaltung der Wallflächen erhielt Hamburg seine erste große öffentliche Grünfläche, die heute rund 50 Hektar zwischen Elbe und Alster umfasst. Der östliche Wallabschnitt wurde im 19. und 20. Jahrhundert von der Eisenbahn und von Bildungs- und Kultureinrichtungen in Anspruch genommen. Den westlichen Abschnitt präg(t)en insbesondere Ausstellungen wie die Niederdeutsche Gartenschau Planten un Blomen (1935) und die nachfolgenden Internationalen Gartenbauausstellungen IGA 53, IGA 63 und IGA 73. Diese über 400-jährige Geschichte lässt sich noch heute im Stadtbild – vor allem aus der Luft – gut ablesen.

Im ersten Beitrag erzählt Gert Kähler – manchmal in salopp formulierter Art – die bis ins frühe 17. Jahrhundert zurückreichende Geschichte der Hamburger Stadtbefestigung. Dirk Brietzke konzentriert sich in seinem flüssig und informativ geschriebenen Beitrag auf die Befestigungsanlagen im 17. und 18. Jahrhundert und deren Bedeutung für die Entwicklung der Stadt und das bürgerliche Selbstverständnis. Heino Grunert fokussiert auf die Geschichte des öffentliches Grüns auf den Wallanlagen von der Entfestigung bis zur Niederdeutschen Gartenschau Planten un Blomen: Nach einer fast 20 Jahre dauernden Phase der Entfestigung, erneuter Befestigung und dann dauerhafter Entfestigung entstand auf dem Hamburger Wallring stadtseitig des Wallgrabens zwischen 1820 und 1833 eine Parkanlage im damals modernen landschaftlichen Stil. Bereits zehn Jahre danach erfolgte mit dem Bau einer Eisenbahn der erste gravierende Einschnitt. Zahlreiche (Gartenbau-)Ausstellungen im 19. und frühen 20. Jahrhundert veränderten die Gestaltung, führten aber auch dazu, dass große Teile des Wallgrüns bis heute erhalten geblieben sind. Kristina Vagt richtet den Blick auf die drei Internationalen Gartenbauausstellungen und den internationalen Zusammenhang solcher Schauen. Sie beantwortet auch die Frage, welche positiven und negativen Folgen die Internationalen Gartenbauausstellungen aus heutiger Sicht für die Grünflächen und deren Benutzbarkeit haben. Eva Henze zeigt uns, was mit dem Grünen Wallring nach Ende der IGA 73 passiert ist. Jörg Schilling widmet sich den Bauten in und am Rande der Wallanlagen, die unser Bild vom Grünen Wallring noch heute stark beeinflussen. Martin Spruijt geht der Frage nach, inwieweit man anhand der Vielzahl und Vielfalt von Ansichtskartenmotiven aus den Wallanlagen auf die Bedeutung dieser innerstädtischen Grünfläche schließen kann. Hans-Helmut Poppendieck und Barbara Engelschall widmen sich im ersten der beiden von ihnen verfassten Beiträge dem 1821 gegründeten Botanischen Garten, der auf eine privaten Initiative zurückgeht und der im Zuge der Internationalen Gartenbauausstellung 1973 nach Klein Flottbek verlegt werden musste. Im zweiten Beitrag stellen sie einige Vertreter des gärtnerischen Berufsstandes aus der 200-jährigen Geschichte der Wallanlagen vor. Jens Beck widmet sich in seinem, Herausforderungen nicht verschweigenden Text den Wallanlagen aus Sicht der Denkmalpflege und bringt die Problematik auf den Punkt: "Was von den einzelnen Phasen der Anlagengeschichte verblieb, ist nicht in einem bewussten planerischen Auswahlprozess entschieden worden, sondern oft von finanziellen Möglichkeiten, gärtnerischem Pragmatismus oder auch von bloßen Zufällen. Insofern lässt sich nicht sagen, dass sich aus jeder bedeutenden Gestaltungsphase nach einem fachlichen Diskurs das jeweils Beste erhalten hat und heute sozusagen ein Mosaik aus den Höhepunkten der Gartenkunst der letzten 200 Jahre in Hamburg zu besichtigen ist. Vielmehr sind die Wallanlagen heute ein Konglomerat, ein Nebeneinander aus Gutem und Mittelmäßigem, aus Relikten der Geschichte und Einzelteilen, aus herausragenden Solitären und weniger qualitätsvollem Füllmaterial. Die gestalterische Einheitlichkeit, die die Wallanlagen kurz nach der Fertigstellung 1833 besaßen, ist mit jeder Überplanung Schritt für Schritt verloren gegangen. Und bis heute gab es keine zweite, die überkommende Substanz noch einmal zusammenfassende und vereinende Gestaltung." Und dies gerade weil für die Gartendenkmalpflege die Wallanlagen "in mehrfacher Hinsicht ein schwieriges Objekt [sind], denn ihre Komplexität und Vielschichtigkeit wird nicht einmal von derjenigen mittelalterlicher Kirchen- und Burgenbauten übertroffen." Somit lässt sich nach Beck die Frage, welche Art Grünanlagen die Wallanlagen überhaupt sind, auch nach längerem Nachdenken nicht beantworten. Seinen Text könnte man jederzeit auch als einen gelungenen Einführungsvortrag zum Thema Gartendenkmalpflege anhand eines konkreten Beispiels verwenden. Der abschließende Beitrag von Klaus Hoppe ist ein Spaziergang mit offenen Augen auf Hamburgs ersten, inneren Grünring vom Stintfang (nahe der Landungsbrücken), über den Alten Elbpark, die Großen Wallanlagen, die Kleinen Wallanlagen, Planten un Blomen bzw. den Alten Botanischen Garten zu den Elbpromenaden. Eine Zeittafel, das Literaturverzeichnis und ein Personenregister schließen das Buch ab.

Diese erste umfassende, chronologisch und interdisziplinär ausgerichtete Publikation über die Geschichte der Wallanlagen mit den Resten von Planten un Blomen und den Internationalen Gartenbauausstellungen lebt nicht nur durch die Texte, sondern auch stark durch die zahlreichen historischen und aktuellen Photos und Pläne. Zu Recht wird daher das Buch vom Verlag als ein Standardwerk zum Thema "Wie Hamburg wurde, was es ist", bezeichnet.

 

Christian Hlavac

 

 

Heimo Grunert (Hrsg.): Von der Festung bis Planten un Blomen. Die Hamburger Wallanlagen. Verlag Dölling und Galitz. München/Hamburg 2020. 360 Seiten, 23 x 28 cm, 560 Abbildungen, Hardcover mit Fadenheftung. ISBN 978-3-86218-138-4, EUR 39,90 [D], EUR 41,10 [A]

 

 



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