Von Lustschlössern, Tempeln und Ruinen

Von Lustschlössern, Tempeln und Ruinen

 

 

Das vorliegende Buch entführt in das Reich der westeuropäischen Gartenstaffagen. Die Landschaftsarchitektin und Gartenhistorikerin Caroline Holmes und der Photograph Nic Barlow stellen in Summe 55 Anlagen vor, die durch Architekturspielereien und Gartenstaffagen ("follies" im Sinne von Narrheit, Exzentrik und Extravaganz) geprägt sind. Die pointierte Einleitung in das Thema der "stummen Zeugen des Zeitgeschmacks und Intellekts ihrer Gönner, deren Leidenschaften und Eigenheiten" verfasste der Architekturhistoriker Tim Knox. Er betont, dass diese Bauten - nicht nur im englischen Landschaftsgarten - vielfach ein Teil eines hoch assoziativen Programms waren, das sich in Anspielungen erging: sei es auf die klassische Mythologie, Literatur, Moralauffassungen oder die aktuelle Politik.

Der Titel des Buches "Von Lustschlössern, Tempeln und Ruinen" deckt nicht den gesamten Bereich der vorgestellten "follies" ab: Die Bandbreite an Gebautem im Garten und Park ist viel größer, wie schon ein flüchtiger Blick in das Buch bestätigt: Grotten, Pagoden, Türme, Festungen in Miniaturgröße, Wasserspiele, Gebäude für Tiere und Grabmonumente ergänzen die unvollständige Liste. Allen gemeinsam ist ihre Funktion als Blickfang, egal ob sie zum Amüsement, zur Zerstreuung oder als Wohnsitz dienten und dienen. Die 55 Beispiele aus Großbritannien, Frankreich, Italien, Deutschland, Portugal, Spanien, Irland, Österreich, Niederlande und Belgien bringen sowohl Altbekanntes (wie z.B. Stourhead, Stowe oder Parc Güell) als auch weniger Bekanntes (wie z.B. Westonbury Gardens oder Kasteel Rosendael). Die Zeitspanne umfasst die Zeit der Renaissance bis zum Jahr 2004, vom Chateau de la Bastie d`Urfe (Frankreich) zum El Teatro der Villa Padierna (Spanien). Die Liste von Staffagebauten, die in das Buch aufgenommen gehörten, ließe sich selbstverständlich noch ergänzen: Die Villa Stibbert in Florenz oder die Römische Ruine im Schlosspark von Schönbunn sind als Beispiele zu nennen.

Positiv hervorzuheben sind die exzellent photographierten und gedruckten Photos von Nic Barlow, der über viele Jahre hinweg die einzelnen Anlagen besucht hat. Das nach seinem Besuch Gartenstaffagen renoviert wurden, zeigt das Beispiel des Chinesischen Teehauses in Sanssouci. Im Buch zeigen sich die vergoldeten Sandsteinfiguren rund um das Haus noch abgeblättert; 1993 wurden sie fertig restauriert und erstrahlen seither in sattem Gold.

Im Text haben sich kleine Fehler eingeschlichen. Der Park von Schönbrunn war nie "königlich" (S. 8), sondern erzherzoglich bzw. kaiserlich. Ein Bild (S. 100) zeigt nicht, wie im Text angegeben, das Schloss Sanssouci, sondern die Orangerie. Beim vorgestellten Großen Garten Herrenhausen wird mit keiner Silbe auf die starken Veränderungen, nämlich die komplette Erneuerung in den 1930er Jahren, eingegangen. Und der Erbauer der Pagode de Chanteloup war Außenminister unter Ludwig XV., und nicht unter Ludwig XIV. (S. 124).

Das Buch bietet den Leserinnen und Lesern eine visuelle "Grand Tour" zu bekannten und unbekannten "follies", die in Europa heute noch zu bewundern sind und zum großen Teil auch besichtigt werden können. Eines lässt sich sagen: Die Kuriositätensammlung in Buchform lebt von den Photographien, der Text ist für Menschen, die sich noch nicht in die Geschichte der Architektur und Gartenkunst einlesen konnten, mit großer Wahrscheinlichkeit schwer verständlich.

Das Buch soll und darf als eine Anregung verstanden werden, die "follies" näher zu betrachten und über ihren Stellenwert in der Gartenkunstgeschichte nachzudenken.

Eine Anmerkung aus österreichischer Sicht: Mit den Ruinen in Schönbrunn, Dehnepark und Alt-Erlaa, dem "Haus der Laune" in Laxenburg - um nur einige zu nennen - haben wir ebenfalls bedeutende Gartenstaffagen, denen wir vermehrt unsere Aufmerksamkeit schenken sollten.

Christian Hlavac

 

Holmes, Caroline, Barlow, Nic: Von Lustschlössern, Tempeln und Ruinen. Architekturspielereien und Blickpunkte in europäischen Parkanlagen. Mit einer Einführung von Tim Knox. Deutsche Verlags-Anstalt. München 2009. 256 Seiten, 288 Farbabbildungen. 25 x 29 cm, gebunden. ISBN 978-3-421-03706-0.



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